Est 4



Die Abwendung der Gefahr: 4,1 - 7,10

Esters Vermittlung: 4,1-17

1 Als Mordechai von allem, was geschehen war, erfuhr, zerriss er seine Kleider, hüllte sich in Sack und Asche, ging in die Stadt und erhob ein lautes Klagegeschrei.
2 So kam er bis vor das Tor des Königspalastes; aber es war nicht erlaubt, im Trauergewand durch das Tor des Palastes zu gehen.
3 Auch in allen Provinzen herrschte bei den Juden überall große Trauer, sobald der Erlass und das Gesetz des Königs eintrafen. Man fastete, weinte und klagte. Viele schliefen in Sack und Asche.
4 Als die Dienerinnen und Kämmerer zu Ester kamen und ihr berichteten, erschrak die Königin sehr. Sie schickte Mordechai Gewänder, damit er sich bekleiden und das Trauergewand ablegen könne. Doch er nahm sie nicht an.
5 Da rief Ester den königlichen Kämmerer Hatach, den der König zu ihrem Diener bestimmt hatte, und schickte ihn zu Mordechai, um zu erfahren, was vorgefallen sei und warum er sich so seltsam verhalte.
6 Hatach ging zu Mordechai auf den Marktplatz vor das Tor des Palastes hinaus.
7 Und Mordechai erzählte ihm alles, was geschehen war, und sagte ihm sogar, wie viel Silber Haman in die königlichen Schatzkammern liefern wollte, sobald er die Juden ausgerottet hätte.
8 Er gab ihm auch eine Abschrift des Erlasses über die Ausrottung der Juden, der in Susa veröffentlicht worden war; ihn sollte Hatach Ester zeigen, ihr alles erzählen und sie dringend bitten, zum König zu gehen und ihn inständig um Gnade für ihr Volk anzuflehen.
9 Hatach kam und berichtete Ester, was Mordechai gesagt hatte.
10 Ester schickte Hatach wieder zu Mordechai und ließ ihm sagen:
11 Alle Diener des Königs und alle Einwohner der königlichen Provinzen wissen, dass für jeden, Mann oder Frau, der zum König in den inneren Hof geht, ohne gerufen worden zu sein, das gleiche Gesetz gilt: Man tötet ihn. Nur wenn der König ihm das goldene Zepter entgegenstreckt, bleibt er am Leben. Ich bin schon dreißig Tage nicht mehr zum König gerufen worden. 1
12 Hatach teilte Mordechai mit, was Ester gesagt hatte.
13 Mordechai ließ Ester erwidern: Glaub ja nicht, weil du im Königspalast lebst, könntest du dich als Einzige von allen Juden retten.
14 Wenn du in diesen Tagen schweigst, dann wird den Juden anderswoher Hilfe und Rettung kommen. Du aber und das Haus deines Vaters werden untergehen. Wer weiß, ob du nicht gerade dafür in dieser Zeit Königin geworden bist?
15 Ester ließ Mordechai antworten:
16 Geh und ruf alle Juden zusammen, die in Susa leben. Fastet für mich! Esst und trinkt drei Tage und Nächte lang nichts! Auch ich und meine Dienerinnen wollen ebenso fasten. Dann will ich zum König gehen, obwohl es gegen das Gesetz verstößt. Wenn ich umkomme, komme ich eben um.
17 Mordechai ging weg und tat alles genau so, wie es Ester ihm befohlen hatte.

Das Gebet Mordechais: 4,17a-i G = 13,8-18 Vg

17a Mordechai dachte an alle die Taten des Herrn und er betete zum Herrn:
17b Herr, Herr, König, du Herrscher über alles! Deiner Macht ist das All unterworfen und niemand kann sich dir widersetzen, wenn du Israel retten willst; 2
17c denn du hast Himmel und Erde gemacht und alles, was wir unter dem Himmel bestaunen. Du bist der Herr über alles und niemand kann es wagen, sich dir, dem Herrn, entgegenzustellen.
17d Du kennst alles. Du weißt, Herr, dass es weder aus Hochmut, noch aus Überheblichkeit, noch aus Ruhmsucht geschah, wenn ich mich vor dem überheblichen Haman nicht niedergeworfen habe. Denn ich würde gern seine Fußsohlen küssen, wenn es für die Rettung Israels von Nutzen wäre.
17e Ich habe so gehandelt, weil ich nicht die Ehre eines Menschen über die Ehre Gottes stellen wollte. Ich werde mich vor niemand niederwerfen, außer vor dir, meinem Gott, und ich handle nicht aus Überheblichkeit so.
17f Und nun, Herr und Gott, König, Gott Abrahams, verschone dein Volk! Denn sie blicken voll Hass auf uns und wollen uns ins Verderben stürzen; sie sind darauf aus zu vernichten, was von Anfang an dein Erbbesitz war.
17g Übersieh dein Erbteil nicht, das du dir von den Ägyptern losgekauft hast.
17h Hör auf mein Flehen, hab Erbarmen mit deinem Erbbesitz und verwandle unsere Trauer in Freude, damit wir am Leben bleiben und deinen Namen preisen Herr; lass den Mund derer, die dich loben, nicht verstummen!
17i Auch ganz Israel schrie mit aller Kraft (zum Herrn); denn der Tod stand ihnen vor Augen.

Das Gebet der Ester: 4,17k-z G = 14,1-19 Vg

17k Auch die Königin Ester wurde von Todesangst ergriffen und suchte Zuflucht beim Herrn. Sie legte ihre prächtigen Gewänder ab und zog die Kleider der Notzeit und Trauer an. Statt der kostbaren Salben tat sie Asche und Staub auf ihr Haupt, vernachlässigte ihren Körper, und wo sie sonst ihren prunkvollen Schmuck trug, hingen jetzt ihre Haare in Strähnen herab. Und sie betete zum Herrn, dem Gott Israels:
17l Herr, unser König, du bist der Einzige. Hilf mir! Denn ich bin allein und habe keinen Helfer außer dir; die Gefahr steht greifbar vor mir.
17m Von Kindheit an habe ich in meiner Familie und meinem Stamm gehört, dass du, Herr, Israel aus allen Völkern erwählt hast; du hast dir unsere Väter aus allen ihren Vorfahren als deinen ewigen Erbbesitz ausgesucht und hast an ihnen gehandelt, wie du es versprochen hattest. 3
17n Wir aber haben uns gegen dich verfehlt und du hast uns unseren Feinden ausgeliefert, weil wir ihre Götter verehrt haben. Du bist gerecht, Herr.
17o Jetzt aber ist es unseren Feinden nicht mehr genug, uns grausam zu unterjochen, sondern sie haben ihren Götzen geschworen, dein Versprechen zu vereiteln, deinen Erbbesitz zu vernichten, den Mund derer, die dich loben, verstummen zu lassen und das Licht deines Tempels und das Feuer auf deinem Altar auszulöschen.
17p Stattdessen wollen sie den Heiden den Mund öffnen, damit sie ihre nichtigen Götzen preisen und auf ewige Zeiten einen sterblichen König verherrlichen.
17q Überlass dein Zepter, Herr, nicht den nichtigen Götzen! Man soll nicht höhnisch über unseren Sturz lachen. Lass ihre Pläne sich gegen sie selbst kehren; den aber, der all das gegen uns veranlasst hat, mach zum warnenden Beispiel!
17r Denk an uns, Herr! Offenbare dich in der Zeit unserer Not und gib mir Mut, König der Götter und Herrscher über alle Mächte!
17s Leg mir in Gegenwart des Löwen die passenden Worte in den Mund und stimm sein Herz um, damit er unseren Feind hasst und ihn und seine Gesinnungsgenossen vernichtet. 4
17t Uns aber rette mit deiner Hand! Hilf mir, denn ich bin allein und habe niemand außer dir, o Herr!
17u Du kennst alles. Du weißt auch, dass ich den Prunk der Heiden hasse und das Bett eines Unbeschnittenen und Fremden verabscheue. 5
17v Du weißt, dass ich das Zeichen meiner Würde verabscheue und es an den Tagen meines öffentlichen Auftretens nur unter Zwang auf dem Kopf trage.
17w Ich verabscheue es wie die blutigen Stofffetzen zur Zeit meiner Unreinheit und trage es nicht an den Tagen, an denen ich meine Ruhe habe. 6
17x Deine Magd hat nicht am Tisch Hamans gegessen, ich habe keinem königlichen Gelage durch meine Anwesenheit Glanz verliehen und habe keinen Opferwein getrunken.
17y Seit deine Magd hierher kam, bist du für sie der einzige Grund, sich zu freuen, Herr, du Gott Abrahams.
17z Gott, du hast Macht über alle: Erhöre das Flehen der Verzweifelten und befrei uns aus der Hand der Bösen! Befrei mich von meinen Ängsten!

1 ℘ 5,2; 8,4
2 ℘ 2 Chr 20,6f
3 ℘ Dtn 6,20-25; Ps 78,3-7; Dtn 7,6; Ri 2,6; Ps 105,6-15
4 «Löwe» wird hier der König genannt.
5 Heiden, wörtlich: Gesetzlose, d.h. Menschen, die nicht nach dem Gesetz der Juden leben.
6 ℘ Lev 15,19