Hos 1



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Einführung in das Zwölfprophetenbuch

Bei der Sammlung und Sichtung der Prophetenschriften haben die jüdischen Autoritäten die kleineren Schriften auf eine einzige Buchrolle schreiben lassen und damit ein Prophetenbuch für die liturgische Vorlesung geschaffen, das dem Umfang nach etwa dem Buch eines der großen Propheten entspricht. Die Zahl Zwölf wird dabei kein Zufall sein. Jedenfalls sind unter den Texten auch solche, die nicht auf den jeweils genannten Autor zurückgehen (vgl. die Einleitung zu Sach). Gleichwohl haben auch diese »anonymen« Prophetentexte als Heilige Schrift zu gelten. Die Reihenfolge der einzelnen Bücher ist wohl hauptsächlich nach der in der Spätzeit herrschenden Auffassung über die geschichtliche Abfolge der »Zwölf« vorgenommen worden, ist aber in der griechischen Bibel eine etwas andere als im jüdischen Kanon. In Wirklichkeit trifft diese Datierungsfolge nur im Groben zu. Die Einzelschriften fügen sich in den Geschichtsbogen vom 8. bis zum 4. Jahrhundert v. Chr. ein. Darum sind ihre Themen außerordentlich vielfältig und nicht auf einen Nenner zu bringen. Die später üblich gewordene Benennung der Zwölf als »Kleine Propheten« darf nicht als Wertung aufgefasst werden; die Bezeichnung bezieht sich ausschließlich auf den Umfang der Bücher. Es finden sich unter ihnen bedeutende Gestalten (z. B. Hosea, Amos, Micha), deren Botschaft nicht weniger ins Gewicht fällt als die von Jesaja, Jeremia und Ezechiel.

B+0Die vierzehn Kapitel des nach Hosea benannten Buches gliedern sich deutlich in zwei Abschnitte: Kap. 1 - 3 und Kap. 4 - 14. Der erste Abschnitt kreist um das Thema der Ehe des Propheten und damit der »Ehe« Gottes mit seinem Volk; der zweite Abschnitt reiht die übrigen Verkündigungseinheiten, meist in relativ großen Reden und mit reichem Themenwechsel, ohne größere Systematik aneinander. Die Hauptmasse des Textes geht auf Hosea selbst oder seinen unmittelbaren Jüngerkreis zurück. Es gibt allerdings einige spätere Ergänzungen (z.B. 5,5; 6,11; 8,14; 12,1) aus dem Reich Juda. Ein weisheitlicher Zusatz ist in 14,10 greifbar. Wahrscheinlich ist auch 2,1-3 ein im Geist Hoseas eingefügter Einschub.

Aus der Überschrift (1,1) und dem Inhalt ergibt sich, dass Hosea als Angehöriger der Nordstämme, wahrscheinlich des Stammes Efraim, um 750 v. Chr. im Nordreich Israel seine Tätigkeit aufnahm und sie bis gegen Ende des Reichs (722 v. Chr.) weiterführte. Seine Epoche ist gekennzeichnet durch die politische und wirtschaftliche Blüte unter Jerobeam II. (etwa 782-747 v. Chr.), mit der jedoch zugleich eine fortschreitende Kanaanisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse (vgl. Amos), aber auch der Offenbarungsreligion einherging. Dazu kam in den letzten Jahrzehnten eine politische Unbeständigkeit (Hinwendung bald zu Ägypten, bald zu Assur; vier Königsmorde innerhalb von fünfzehn Jahren), die Hosea ebenfalls als Abfall von Jahwe brandmarkte.

Hosea muss die Untreue gegenüber Jahwe nicht nur anklagen, sondern auch in einer symbolischen Handlung, nämlich in seiner Ehe, darstellen (vgl. Kap. 1 - 3) und zugleich mit Strafe bedrohen (vgl. die Namen der Kinder in Kap. 1). Doch wird diese Androhung durch die Verheißung der endzeitlichen »Gottesehe« zwischen Jahwe und Israel (2,18-25) überboten. Hosea hat damit eine theologische Botschaft ersten Ranges geschaffen, die bei Jeremia, Ezechiel und Deuterojesaja ihr Echo findet und tief ins Neue Testament hineinreicht (vgl. Mk 2,19f und die Paralleltexte; Joh 3,29; Offb 19,7; 21,9). Auch die Vaterschaft Gottes wird von Hosea eindrucksvoll verkündet (Kap. 11). Die von ihm geforderte wahre Gottesverehrung (»Liebe will ich, nicht Schlachtopfer« 6,6) wird von Jesus zweimal bestätigt (Mt 9,13; 12,7). Hosea ist der erste Prophet, der die Zuwendung Gottes zum Menschen mit dem Wort »lieben« kennzeichnet (3,1; 11,1; 14,5), was im Neuen Testament besonders die johanneischen Schriften aufgreifen und ausgestalten.

Überschrift: 1,1

1 Das Wort des Herrn, das an Hosea, den Sohn Beeris, in der Zeit erging, als Usija, Jotam, Ahas und Hiskija Könige von Juda waren und als Jerobeam, der Sohn des Joasch, König von Israel war.

Die Ehe Hoseas: 1,2 - 3,5

Die symbolische Botschaft Gottes: 1,2-9

2 So begann der Herr durch Hosea zu reden: Der Herr sagte zu Hosea: Geh, nimm dir eine Kultdirne zur Frau und (zeuge) Dirnenkinder! Denn das Land hat den Herrn verlassen und ist zur Dirne geworden. 12
3 Da ging Hosea und nahm Gomer, die Tochter Diblajims, zur Frau; sie wurde schwanger und gebar ihm einen Sohn.
4 Der Herr sagte zu Hosea: Gib ihm den Namen Jesreel! Denn es dauert nicht mehr lange, dann werde ich das Haus Jehu für die Blutschuld von Jesreel bestrafen und dem Königtum in Israel ein Ende machen. 3
5 An jenem Tag werde ich den Bogen Israels in der Ebene Jesreel zerbrechen.
6 Als Gomer wieder schwanger wurde und eine Tochter gebar, sagte der Herr zu Hosea: Gib ihr den Namen Lo-Ruhama (Kein Erbarmen)! Denn von jetzt an habe ich kein Erbarmen mehr mit dem Haus Israel, nein, ich entziehe es ihnen. 4
7 Mit dem Haus Juda jedoch will ich Erbarmen haben und ihnen Hilfe bringen; ich helfe ihnen als der Herr, ihr Gott, aber nicht mit Bogen, Schwert und Krieg, nicht mit Rossen und Reitern. 5
8 Als Gomer Lo-Ruhama entwöhnt hatte, wurde sie wieder schwanger und gebar einen Sohn.
9 Da sagte der Herr: Gib ihm den Namen Lo-Ammi (Nicht mein Volk)! Denn ihr seid nicht mein Volk und ich bin nicht der «Ich-bin-da» für euch. 6

1 ℘ 4,12; 9,1
2 Der von Hosea gewählte Ausdruck «Frau der Hurerei», der hier mit «Kultdirne» wiedergegeben ist, meint wohl (vgl. 4,12) ein Mädchen, das an den Sexualriten des Baalskultes teilgenommen hat. Die Verehrung Baals ist für Hosea Ehebruch gegenüber dem Bundesgott.
3 ℘ 2 Kön 9,24-27; 10,11; 17,3-6.20-23; Am 7,9.11
4 ℘ 2,1.3.6
5 ℘ 2 Kön 19,34; Ps 20,8; Spr 21,31; Jes 30,16; Mi 5,9
6 ℘ 2,25; Ex 3,14